Johanniskirche | Lahnstein

Die Johanniskirche in Niederlahnstein – Romanik mit weitem Horizont

Schon beim Eintreten in die im 12. Jahrhundert vollendete Johanniskirche lenkt der erhöhte Chorraum den Blick auf das moderne Kreuz von 2005 – ein Werk des 1934 geborenen Künstlers, das in romanischer Stilreinheit den Gekreuzigten als den Lebendigen zeigt: nicht im Todeskampf, sondern im Triumph des Lebens. Diese Darstellung verbindet auf faszinierende Weise Passion, Auferstehung und bleibende Gegenwart Christi. Sie lädt dazu ein, die Biografie Jesu nicht nur als vergangene Geschichte, sondern als geistliche Bewegung zu verstehen – eine Bewegung, die über zwei Jahrtausende hinweg Menschen Orientierung und Hoffnung gibt.

Inmitten romanischer Strenge öffnet sich ein Raum für Sinnsuche und spirituelle Tiefe. Die Johanniskirche bietet dafür mehr als nur Steine und Symbole. Sie stellt Fragen – und lässt Raum für eigene Antworten.

Warum zum Beispiel ziert ausgerechnet das Haupt eines heidnischen Priesters den Kirchturm? Welche Geschichten verbergen sich dahinter? Warum wurde in der barocken Umgestaltung Johannes Nepomuk, der Brückenheilige, so bedeutsam – vielleicht gerade in Zeiten politischer und konfessioneller Spannungen? Und wie wirkt heute noch der Schutzgedanke romanischer Sakralarchitektur, der weniger mit Kontrolle als mit Geborgenheit zu tun hat?

Diese Kirche am Rhein ist mehr als ein Baudenkmal. Sie ist ein Ort, der theologische Horizonte eröffnet – zwischen Alt und Neu, zwischen Verstand und Herz, zwischen Geschichte und Gegenwart. Wer sich auf sie einlässt, entdeckt vielleicht mehr als nur ihre kunstgeschichtliche Bedeutung: nämlich eine Einladung, sich dem großen Dialog des Glaubens neu zu nähern.

Fotos: Thomas Hummel

Warum ist ausgerechnet die Skulptur eines heidnischen Priesterkopfes am Turm zu finden?

Solche sogenannten „Kopfskulpturen“ – manchmal grotesk, manchmal ernst – begegnen uns öfter an mittelalterlichen Kirchen, auch in scheinbar unpassendem Zusammenhang. Sie sind Ausdruck einer spannungsreichen theologischen Deutung:
Der heidnische Priesterkopf könnte symbolisieren, dass das Christentum nicht über das Heidentum „hinwegfegt“, sondern es aufnimmt, überformt und in einen neuen Zusammenhang stellt. Denkbar ist auch, dass er als „Mahner“ fungiert – ein stummer Zeuge der vorchristlichen Zeit, der an die Dunkelheit ohne Christus erinnern soll.
Nicht ausgeschlossen ist zudem, dass es sich um ein „Spolium“ (ein wiederverwendetes Bauteil aus einem älteren Gebäude) handelt – ein Fragment aus römischer Zeit, das bewusst oder pragmatisch verbaut wurde.

Die Spannung zwischen Alt und Neu, Glaube und Zweifel, Heiligem und Weltlichem – sie ist nicht verborgen, sondern sichtbar gemacht.

Warum wurde Johannes von Nepomuk in der Barockzeit für Christen so wichtig?

Johannes Nepomuk (um 1350–1393) war ein böhmischer Priester, der der Legende nach das Beichtgeheimnis gegenüber König Wenzel IV. wahrte und dafür getötet wurde. In der Barockzeit wurde er zur Symbolfigur des katholischen Glaubens in Zeiten konfessioneller Bedrängnis.
Er stand für Loyalität, Verschwiegenheit, Opferbereitschaft – Tugenden, die in einer Epoche politischer Spannungen, Glaubenskriege und absolutistischer Machtansprüche hoch im Kurs standen.
Darüber hinaus war Nepomuk als „Brückenheiliger“ besonders beliebt – sowohl im wörtlichen Sinn (er wurde oft an Brücken errichtet) als auch im übertragenen Sinn: Er sollte helfen, Spannungen zwischen Himmel und Erde, Kirche und Staat, Mensch und Gott zu überbrücken.

In einer zerrissenen Zeit wurde Johannes von Nepomuk zu einer Figur des Trostes – und der Standhaftigkeit im Glauben.

Erreicht uns heute noch der romanische Schutzgedanke?

Ja – allerdings oft auf einer tieferen, weniger bewussten Ebene. Die Romanik wollte mit ihrer Architektur nicht nur beeindrucken, sondern bergen. Ihre schweren Mauern, kleinen Fenster und klaren Linien schaffen einen Raum, der abgrenzt und zugleich schützt.
In einer Zeit, in der Menschen äußeren Gefahren ausgesetzt waren – aber auch der Angst vor dem Jenseits –, boten diese Kirchen symbolisch und praktisch „Zuflucht bei Gott“.
Heute wirkt dieser Schutzgedanke vielleicht nicht mehr apotropäisch (dämonenabwehrend), aber seelisch:
Wir spüren, dass dieser Raum etwas mit uns macht. Er verlangt nicht nach Leistung, sondern bietet Ruhe. Nicht Auflösung, sondern Sammlung.

Gerade in einer lauten, offenen Welt wächst die Sehnsucht nach Orten mit dicken Mauern und klaren Linien – nicht als Enge, sondern als Geborgenheit.

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